Die zerbrochenen Diamanten
von Ryston Baylor
Ich erinnere mich an meine ersten Feiertage der zerbrochenen Diamanten als Jüngling im Glenumbra Moor. Die ausgedehnten, lauten Feierlichkeiten habe ich noch deutlich vor Augen -- Erntedank, Mittjahr, Neujahr, der Tag des Kaisers.
Ausserdem habe ich Erinnerungen, die weiter zurückreichen, als mein wirkliches Verständnis für unsere Feierlichkeiten. Jedes Jahr am 19. Tag des Monats Frostfall, wanderten meine Familie und ich zusammen mit all den anderen, die wir im Moor kannten, zu einer Ruine mitten in der Wildnis. Uns an den Händen haltend, formten wir einen riesigen Kreis rund um die zerfallenen Gebäude und sangen das Sepharve, die Köpfe ererbietig erhoben.
Viele Jahre lang ging es so und ich fragte nie nach dem Warum. Es ist schon etwas seltsam, dass sonst so neugierige Kinder meiner Erfahrung nach nie nach den zerbrochenen Diamanten fragen und Erwachsene selten freiwillig Auskunft geben. Nach und nach, als wir etwas über unsere Heimat an der Universität oder durch die Plaudereien unserer älteren Angehörigen lernten, bekamen wir eine Ahnung und schließlich verstanden wir die Bedeutung der Zerbrochenen Diamanten.
Als Einheimischer des Glenumbra Moors kann ich nicht objektiv sein, aber Besucher sagten mir, dass das Leid -- noch öfter benutzten sie das Wort Scham -- der Einheimischen meist sehr übertrieben ist. Es gibt das Gefühl, dass ein großes, altes Unrecht das Gewissen der Menschen im Moor belastet. Obwohl es nicht in unserer Zeit geschehen ist, wissen wir doch, dass die Schuld noch nicht beglichen ist.
Ich spreche natürlich vom Mord an ihrer furchtbaren Majestät, Kintyra II, Kaiserin von Tamriel, am frostkalten Morgen des 23. Tages des Monats Frostfall, im 123. Jahr der 3. Ära.
Wir kennen nicht den Namen der Burg, wo sie festgehalten wurde; Wir kennen nicht den Namen ihres Mörders (allerdings war der Mann, der den Mörder anheuerte, ihr Cousin und Thronräuber, Uriel III); Wir wissen nicht, wo sie beerdigt wurde. Aber unsere Vorfahren wussten, dass ihre rechtmäßige Herrscherin irgendwo in ihrem Land gefangen gehalten wurde und sie unternahmen nichts, um ihr zu helfen. Das beschämt uns noch heute.
An dem Morgen, an dem unsere Ur- Ur- Ureltern vom Tod Kintyras hörten, waren sie entsetzt und bedauerten ihren Mangel an Einsatz. Alle Leute von Glenpoint und aus dem Glenumbra Moor stellten die Verantwortlichen in jeder kaiserlichen Burg. Sie formten Barrieren mit ihren Körpern, um die Killer dort festzuhalten. Flaggen, die den roten Diamanten der Septim Dynastie zeigten, wurden zerfetzt und verstreut und 'zerbrochene' Diamanten bedeckten den Schnee.
Das Lied, das wir an jedem Jahrestag des 'zerbrochenen Diamanten' singen, nennt sich, wie ich bereits erwähnte, Sephavre. Ich fragte jeden im Glenumbra Moor, was das Lied bedeutet, denn es ist in Alt-Bretonisch, aber jede Generation kennt es nur, weil sie es von ihren Eltern gelernt haben. Niemand kennt die genaue Bedeutung der Worte und der Tonfall und die Gefühle können nicht leicht übersetzt werden. Als ich später mit einem Gelehrten, der mir eine akkurate Übersetzung des Sephavre gab, sprach, begann ich beides zu verstehen, warum es unsere Vorfahren es als Hymne nahmen für die große Ungerechtigkeit des Mordes an Kintyra II und für den Schmerz, der seit diesem dunklen Tag noch immer das Glenumbra Moor durchdringt.
Das Sephavre
Seelen unserer Väter, so sehr leidend,
die uns in dunkler Zeit vorausgingen,
als unsere Seelen, leichten Sinnes
dort Ahnungslosigkeit und Schurkerei
wachsen liessen, wo unser Land sein sollte.
Heult, Ahnen, heult und bringt uns
Erinnerungen an unseren teuflischen Pakt,
Wir taten alles, um zu überleben, gaben auf
unseren Geist und unsere Herzen und Körper,
Wir werden nicht kämpfen aber werden zerrissen, und
wie Treibgut in einem Strudel werden wir für immer,
die Helfershelfer der Ungerechtigkeit sein,
aber wir werden es beklagen in alle Zeit.