|
 |
|
Navigation |
|
|
|
|
|
 |
|
Die Alik'r |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Alik'r
von Enric Milres
Ich wäre womöglich niemals in die Wüste Alik'r gegangen, wenn ich nicht Weltan in einer kleinen Taverne in Sentinel getroffen hätte. Weltan ist ein Poet der Rothwardonen und ich hatte seine Verse, allerdings nur in einer Übersetzung, gelesen. Er zieht es vor, in der alten Sprache der Rothwardonen zu schreiben anstatt in Tamrielisch. Einmal fragte ich ihn warum. "Das tamrielische Wort für das göttliche, reiche Kind aus vergammelter, seidiger, gepresster, saurer Milch ist ... Käse" sagte Weltan, und ein Lächeln huschte über sein rabenschwarzes Gesicht. "Das alte Rothwardonenwort dafür ist mluo. Sag mir nun, welches Wort du nehmen würdest, wärest du ein Poet und würdest beide Sprachen beherrschen?" Ich bin ein Kind der Stadt und erzählte ihm Geschichten von Lärm und Korruption, von wilden Nächten und von Kraft, Kultur und Dekadenz. Beeindruckt und mit großer Aufmerksamkeit hörte er von der Stadt meiner Geburt, der Stadt aus weißem Marmor, der Kaiserstadt, wo die ganze Bürgerschaft schon wegen der Nähe des Kaisers und der Reinheit der Strassen von ihrer Wichtigkeit überzeugt ist.
Sie sagen, ein Bettler auf den Boulevards der Kaiserstadt ist ein Mann, der in einem Palast lebt. Wir tranken gewürztes Ale und ich ergötzte Weltan mit Beschreibungen des Gewimmels im Marktviertel von Flussfeste und des dunklen, brütenden Gramfeste; ich erzählte von den mit Schimmel überkrusteten Villen von Lilmoth, den wundervollen, gefährlichen Alleen von Helstrom und den stattlichen Prachtstraßen der großen, alten Stadt Einsamkeit. Er fragte nach, kommentierte und staunte. "Ich habe das Gefühl, als würde ich ihre Heimat, die Wüste Alik'r, durch ihre Gedichte schon gut kennen, obwohl ich nie dort gewesen bin." sagte ich schließlich zu ihm. "Oh, aber das tun sie nicht. Kein Gedicht kann die Alik'r beschreiben. Es vermag sie vielleicht besser auf einen Besuch vorbereiten als jeder Reiseführer, aber wenn sie Tamriel kennenlernen möchten und ein wahrer Weltbürger sein möchten, müssen sie die Wüste selber erleben." Es kostete mich mehr als ein Jahr, Verpflichtungen abzusagen, Geld zu sparen (meine größte Herausforderung), und das städtische Leben für einen Besuch der Wüste Alik'r hinter mir zu lassen.
Ich nutzte verschiedene Ausgaben von Weltans Gedichten als Reiseführer. "Eine geheiligte Flamme steigt auf aus dem Feuer, Die Geister großer Männer und Frauen die keiner mehr kennt, Städte, lang verloren, steigen auf und vergehen in Flammen, Das enthüllende Lied der Dioscuri, geborstene Mauern und ewige Felsen, glühender Sand, der heilt und zerstört." Diese ersten sechs Zeilen aus meines Freundes Gedicht 'Über den ewigen Staub' bereiteten mich auf meinen ersten Eindruck von der Wüste Alik'r vor, aber sie wurden der Wirklichkeit kaum gerecht. Mein armer Stift kann die Strenge, Erhabenheit, Kurzlebigkeit und doch Beständigkeit der Alik'r nicht wiedergeben. All die Vorschriften und Grenzen, die die Nationen über alles Land legten, lösten sich unter der Bewegung des Wüstensandes auf. Ich könnte nie sagen, dass ich in Antiphyllos oder Bergama gewesen bin und wenige der Einheimischen würden es zu mir sagen. Für sie waren wir einfach in der Alik'r. Nein. Wir waren Teil der Alik'r. Das kommt der Philosophie der Wüstenbewohner näher. Ich sah die heilige Flamme, von der Weltan schrieb, an meinem ersten Morgen in der Wüste: Ein gewaltiger, roter Nebel, der aussah, als käme er aus den tiefsten Mysterien von Tamriel. Lange vor Mittag war der Nebel verschwunden. Dann sah ich die Städte, die Weltan beschrieb;
Die Ruinen in der Alik'r erhoben sich nach einer starken Böe des ungebändigten Windes aus dem Sand und wurden von der nächsten wieder verdeckt. Nichts in der Wüste ist von Dauer, aber genauso vergeht nichts für immer. Den Tag verbrachte ich in Zelten und bedachte den Kern des Charakters der Rothwardonen, der es ihnen ermöglichte, dieses wilde, zeitlose Land anzunehmen. Sie sind natürliche Krieger. Als Gruppe sind sie um nichts besser. Nichts hat Wert für sie, solange sie nicht darum gekämpft haben. Niemand streitet sich mit ihnen um die Wüste, doch die Alik'r ist selbst ein großer Gegner. Und der Kampf geht weiter. Es ist ein Kampf, der ohne Hass geführt wird, ein heiliger Kampf, in jedem Sinne, den diese Redewendung haben kann. Bei Nacht betrachtete ich das Land in seiner relativen Klarheit genauer. Aber die Klarheit war eher vordergründig.
Die Steine selber brannten mit einer Hitze und einem Licht, welches nicht von der Sonne und auch nicht von den Monden Jone und Jode kam. Die Kraft der Steine kam aus dem Schlagen des Herzens Tamriels selber. Zwei Jahre verbrachte ich in der Alik'r. Dies schreibend, bin ich zurück in Sentinel. Wir sind im Krieg mit dem Königreich von Daggerfall um den Besitz eines grasbedeckten Felsens im Wasser der Iliac Bucht. Alle meine Kollegen, -Poeten, Schriftsteller und andere Künstler-, sind ganz mutlos angesichts der Gier und des Hochmuts, der diese Menschen dazu brachte, Krieg zu führen. Es ist ein Tiefpunkt und eine Tragödie. In den Worten der Rothwardonen eine ajcea, eine Abwärtsspirale. Nun kann ich nicht traurig sein. In den Jahren, die ich in der Großartigkeit der Alik'r verbrachte, sah ich die ewigen Steine, die bestehen bleiben, während die Menschen vergehen. Ich fand meine innere Ruhe in diesem weglosen, formlosen, abwechslungslosem und doch wechselhaftem Land. Eingebung und Hoffnung bleiben bestehen wie die Steine der Wüste, obwohl die Menschen sterben. |
|
|
|
|
|
|
|