Äusserlich gleichen sich die Körper eines Menschen und eines Vampirs. Dies erleichtert auch die Maskerade. Die im Körper ablaufenden Reaktionen, insbesondere die Stoffwechselvorgänge unterscheiden sich aber erheblich. Die Unterschiede und ihre Entstehung sollen im folgenden wissenschaftlich untersucht werden.
Anatomie des Homo Vampyricus
Der Hauptunterschied zwischen Mensch und Vampir ist sicherlich auf molekularer Ebene zu suchen. Wenigstens ein junger Vampir verfügt noch über eine vollständige Ausstattung von Organen, die erst mit zunehmenden Alter aufgrund mangelnder Nutzung verkümmern. Im Unterschied dazu bleibt der Bewegungsapparat komplett erhalten, nimmt teilweise sogar noch erheblich an Leistung zu. Auch die Sinneswahrnehmung nimmt an Schärfe zu, um sich den nächtlichen Verhältnissen besser anzupassen, bis sie an die Leistung anderer nachtlebender Tiere heranreicht. Das dieser leistungsabhängige Mechanismus auch weiterhin wirksam ist, sieht man bei der Untersuchung von Vampiren, die längere Zeit in Starre verbracht haben. Diese zeigen vergleichbare Symptone eines bettlägerigen Patienten, wo die Muskelmasse schnell abnimmt. Auch in diesen Fällen ist die Leistungsfähigkeit des Vampirs für eine Weile eingeschränkt, bis er sich von seiner langen Ruhezeit erholt hat.
Die Starre
Die Starre weist viele gemeinsame Charakteristika mit dem Winterschlaf bei Säugetieren oder mehr noch der Winterstarre von Reptilien auf. Die Stoffwechselaktivität ist auf ein absolutes Minimum heruntergefahren und dient nur noch dem Erhalt des Körpers. Deswegen ist der Blutverbrauch in dieser Zeit minimal, aber der Körper degeneriert oftmals unter Auszehrungserscheinungen, da nur lebensnotwendige Bereiche erhalten bleiben.
Die Entstehung
Mit der Übertragung von Blut auf einen blutleeren Körper wird ein in dem Blut enthaltender Virus übertragen. Dieser Virus, der große Ähnlichkeit mit dem HI-Virus hat und deshalb als HMV bezeichnet wird, dringt in kurzer Zeit (die Verwandlungszeit) in sämtliche Zellen ein und wandelt sie um. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Blut oral oder intravenös verabreicht wird, da der Virus aktiv durch die Zellwand eindringt und nicht erst passiv aufgenommen werden muss. Er verfügt über eine reverse Transkriptase-Aktivität, mit der das Genom des Empfängers umgeschrieben wird. Ist eine Zelle erst umprogrammiert, so produziert sie den Virus in großen Mengen, so dass dieser sich mit exponentiell zunehmender Geschwindigkeit im Körper ausbreitet. Die Hauptmerkmale der Veränderung sind, dass das Blut die Fähigkeit zum Sauerstofftransport verliert und alle anderen Zellen ihre üblichen Stoffwechselaktivitäten einstellen.
Eigenschaften des HMV (Humaner Mutagenese Virus)
Regeneration
Die vermutlich effektivste Eigenschaft des HMV ist die der Regeneration. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die Telomerase-Aktivität nicht nur auf die Stammzellen der Keimbahn sondern auch auf die somatischen Körperzellen wirkt. Die Zellen verfügen damit über eine unbegrenzte Teilungsfähigkeit und es kommt zu keinerlei Alterserscheinungen. Weiterhin bleibt die Pluripotenz der Zelle gewahrt, so dass sich komplette Körperteile regenerieren lassen. Diese Fähigkeiten sind auch schon bei Bakterien (ewiges Leben) und bei Reptilien (Gliedmaßenregenration) beobachtet worden. Die Fähigkeit der Regeneration ist so stark, dass sie alle andere Mechanismen überlagert. Die Person hört nicht nur auf zu altern, sondern behält auch immer das gleiche Erscheinungsbild.
Durch die UV-Strahlung der Sonne oder Feuer werden die Gene und Proteine für die Zellregeneration stark beschädigt, so dass diese Eigenschaft wieder verloren geht. Auch bei anderen schweren Verletzungen, z.B. ausgelöst durch Säure, Starkstrom, starker radioaktiver Strahlung oder großer Hitze, geht großflächig im Gewebe die Fähigkeit der Regeneration verloren. Diese Eigenschaft muss erst wieder von unbeschädigten Zellen übertragen werden, bevor der Heilungsprozess einsetzen kann. Welche Strahlungtypen des Sonnenlichts diese Schäden auslösen ist unbekannt.
Offensichtlich reicht die Energie des Lichts des sichtbaren Spektrums nicht aus, um Verletzungen zu verursachen (solch eine Spezies hätte sich wohl in der Evolution auch kaum behaupten können). Stattdessen scheinen stärkere elektromagnetische Strahlungen, wie UV-Licht oder kosmische Strahlung eine Rolle zu spielen. Da diese unter Laborbedingungen nur ungenügend simuliert werden können, ist die genaue Zusammensetzung noch nicht bekannt. Tests an Versuchsobjekten deuten aber darauf hin, dass das veränderte Genom eines HMV-Trägers eine erheblich erhöhte Absorbtion dieser Strahlung hat. Die absorbierte Energie wird in Molekülschwingungen und Wärme umgewandelt, die schließlich zu Gewebeschäden führen.
Das Blut
Der Leukocyten-Anteil im Blut eines Vampirs ist stark erhöht (bis zu 40% des Blutes). Dadurch wird der Vampir unempfindlich gegen sämtliche Krankheitserreger. Ausserdem wird die Verbreitung von Infektionen dadurch verhindert, dass der Blutkreislauf stillsteht.
Da das Blut seine Fähigkeit des Sauerstofftransportes verloren hat, muss ständig neues Blut aufgenommen werden, um das Hämoglobin zu ersetzen. Hierbei ist menschliches Blut effektiver als das von Tieren, da das Hämoglobin ähnlicher ist. Das Blut von Fischen, Amphibien oder Reptilien besitzt kaum noch einen Nährwert. In der Starre ist die Stoffwechselaktivität so gering, dass die physikalische Lösung von Sauerstoff im Blut ausreichend ist, um die wenigen notwendigen Reaktionen ablaufen zu lassen.
Ghule
Ghule verfügen noch über Blut und damit auch über ein funktionierendes Immunsystem, der im Blut enthaltenden Leukocyten. Die Verbreitung des Virus wird von den Leukocyten bekämpft, so dass die Verwandlung nicht komplett stattfindet. Die infizierten Zellen werden ständig abgetötet und durch normale Zellen ersetzt.
Generationen
Die Konzentration des Virus im Blut von Vampiren niedriger Generation ist wesentlich höher, als im Blut ihrer Kinder. Auch mit zunehmenden Alter steigt die Konzentration noch langsam weiter an. In den meisten Fällen gibt es aber eine Sättigungskurve, so dass eine Maximalkonzentration nicht überschritten werden kann. Dieser Maximalwert ist identisch mit der Konzentration der Infektionsprobe. Da sich die Sättigunskurve logarithmisch dem Maximalwert annähert, findet bei jeder Weitergabe eine Abschwächung der Konzentration statt, da der Maximalwert erst nach unendlicher Zeit erreicht wird. Ab der 13. Generation ist die Konzentration zu gering, um noch effektiv infektiös zu sein. Hier tritt dann ein ähnlicher Effekt wie bei Ghulen ein.
Clans
Der Virus hat verschiedene Erscheinungsformen. In der Ausprägung sind sie alle sehr ähnlich (alle Betroffenen werden zu Vampiren), aber die Unterschiede schlagen sich in teilweise unterschiedliche Eigenschaften nieder. Bisher konnten 13 verschiedene Hauptklassen des HMV identifiziert werden. Aus Mangel an Versuchsobjekten konnten leider bisher noch nicht alle Unterarten exakt bestimmt werden.
Es gab in der Tat eine Art Urerzeuger, nämlich die Person, bei der sich der Virus zuerst entwickelt hat. Für diese Erklärung ist keinerlei verschleiernder Mystizismus notwendig. Obwohl es interessant wäre, das Virus in seiner ursprünglichen Reinform (HMV0) zu untersuchen, wird dies wohl nicht möglich sein, da diese Virusform vermutlich seit langem von weiterentwickelten Versionen abgelöst wurde. (Im Gegensatz zu den meisten Noddisten denke ich, das Kain, sollte er noch existieren, der schwächste und nicht der stärkste aller Vampire wäre. Eine Evolution, in der folgende Generationen immer schwächer werden, schließt ein dauerhaftes Überleben dieser Spezies aus.)
Malkavianer
Die Konzentration des HMV4 ist besonders hoch in den Nervenzellen. Dort führen die Veränderung zu einer großen Anzahl von bedauerlichen Fehlfunktionen, z.B. eine stark überhöhte Konzentration an Transmittermolekülen in den Synapsen, so dass die Versuchsobjekte ständig unter Wahnvorstellungen leiden. Theoretisch könnten einzelne Objekte (ca. 1%) aber zu stärkeren geistigen Fähigkeiten in der Lage sein.
Brujah
In Zeiten von großen Stress werden große Mengen an Adrenalin und anderen Hormonen im Körper ausgeschüttet. Wie es scheint, verfügen Zellen, die mit HMV5 verändert wurden, über einen Rezeptor für diese Stresshormone. Sobald ein kritischer Wert überstiegen wird, reagieren einige Zellen darauf mit spontanen Wachstum und starker Zellteilungsaktivität. Dabei wird DNA aus der Umgebung aufgenommen, ähnlich der Heat-shock-Reaktion bei Bakterien und ins Genom integriert. Dadurch ändert sich das äussere Erscheinungsbild oder das Verhalten des Wirtes ein wenig, da die Fähigkeit der Regeneration jetzt mit stellenweise leicht veränderten Genen erfolgt.
Nosferatu
Der HMV6 hat eine besonders offensichtliche Änderung. Bei der Umschreibung des Genoms durch den Virus läuft der Stoffwechsel noch eine Weile weiter, bevor er zum Erliegen kommt. Dadurch wird die Morphologie der Zellen und damit auch die Physiologie des Körpers erheblich verändert, da ein stark mutiertes Genom abgelesen wird.
Tzimisce
HMV7b ist wahrscheinlich der agressivste Vetreter seiner Art. Er kann nicht nur menschliche sondern auch bereits von HMV infizierte Zellen erneut befallen und ist das einzige bekannte Beispiel von Co-Dominanz. Bei einer Zweitinfektion werden die üblichen Eigenschaften gewahrt, aber zusätzlich tritt die Fähigkeit auf, die Zell-Zell Kontakte beliebig zu lösen und neu zu verknüpfen. Mit zunehmenden Alter (und Viruskonzentration) geht die Fähigkeit aber verloren und das Erscheinungsbild des Opfers kann nur noch als "fließend" bezeichnet werden. Lediglich HMV6 scheint eine gewisse Resistenz gegen HMV7b entwickelt zu haben. Eine nicht verunreinigte Probe von HMV7 (HMV7a) konnte nicht untersucht werden.
Giovanni
Der HMV9b bewirkt eine Veränderung des Enzyms im abgesonderten Speichel. Normalerweise bewirkt das Enzym die Entstehung von opioden Substanzen bei dem Gebissenen. Diese wirken massiv auf das Zentrale Nervensystem ein und erzeugen Heroin-ähnliche Glücksgefühle und werden anschließend rasch abgebaut. Dennoch kann auch hier schnell eine Sucht entstehen, wie bei verschiedenen Blutpuppen zu sehen ist. Dieses Enzym ist bei den Giovanni auf eine Weise verändert, so dass andere Bereiche des Gehirns aktiviert werden und heftige Schmerzen ausgelöst werden. Bedauerlicherweise ist das Enzym sehr instabil und zerfällt in vitro mit hoher Geschwindigkeit, so dass es noch nicht aufgereinigt und analysiert werden konnte.
Golconda
HMV10c ist das evolutiv am weitesten entwickelte Virus. Die Infektion hat keinerlei nachteilige Effekte mehr auf den Wirt, sondern nur noch Vorteile. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich dieses Virus weltweit durchsetzt, um die anderen zu ersetzen.
Tremere
Der größte Erfolg mit Thaumaturgie direkten Einfluss auf die Eigenschaften des Virus zu nehmen, kann bei HMV11c beobachtet werden. Jedesmal, wenn HMV11c in Kontakt mit anderen HMV-Arten kommt, wird eine heftige allergische Reaktion ausgelöst und große Mengen an Blutzellen vernichten sich gegenseitig.
Unbekannt
Bei dem HMV13 sind bei den Regenerationsproteinen zusätzlich Doppelbindungen in einem Coenzym eingeführt. Dadurch entsteht ein größeres System von delokalisierten Pi-Elektronen, was die Absorbtion von elektromagnetischer Strahlung erleichtert. Dadurch reichen schon geringe Lichtmengen aus, um das Protein zu beschädigen und funktionsunfähig zu machen.
Intermediäre Formen
Wenn einem Objekt nach der kompletten Blutentnahme eine Mischung aus verschiedenen Virussorten gegeben wird, kann man eine intermediäre Entwicklung beobachten. Das Objekt weist verschiedene Charakteristika der Proben auf, was auf einen intermediären Erbgang, gegenüber einer dominanten oder co-dominanten Vererbung, hinweist. Das Produkt ist ein Caitiff oder eine neue Blutslinie, je nach Definition.